--> Tag 3
Als ich vom Duschen komme, ist der Reißverschluss am Zelteingang 1/3 heruntergezogen, das war er nicht, als ich gegangen bin, und am Rucksack ist die Außentasche geöffnet, das wurde sie nicht durch mich. Mist! Zwar ist alles noch da, mein Geld steckt woanders, aber warum bin ich so naiv?
Als ich vom Duschen komme, ist der Reißverschluss am Zelteingang 1/3 heruntergezogen, das war er nicht, als ich gegangen bin, und am Rucksack ist die Außentasche geöffnet, das wurde sie nicht durch mich. Mist! Zwar ist alles noch da, mein Geld steckt woanders, aber warum bin ich so naiv?
Vom Schreck erholen, den Beschluss
fassen, fortan weniger leichtsinnig zu sein, Kekse und Wasser
frühstücken, Sachen packen und auf in Richtung Bad Muskau!
Die Landschaft wird, je weiter ich nach
Süden komme, zunehmend schöner und abwechslungsreicher. An der
Neiße gefällt es mir besser als an der Oder.
In Bahren pausiere ich an einem Kiosk,
an dessen Tür ein Schild informiert: „Bin im Haus. Bitte
klingeln!“ Ich parke das Fahrrad kippsicher an einem Baum und
beginne, den Klingelknopf zu suchen, aber eine Frau ruft, noch bevor
ich ihn gefunden habe, von der gegenüberliegenden Seite des Weges
aus dem oberen Stockwerk ihres Hauses: „Komme gleich!“ Irgendwie
wirkt das unwirklich auf mich und noch unwirklicher wird es, als sie
ausrechnet, wie viel ich für Eis, Kaffee und Mineralwasser insgesamt
bezahlen muss, indem sie auf einem Schmierzettel schriftliche
Addition ausführt. Dass es so etwas noch gibt!
An der Neiße begegne ich mehr anderen
Radfahrern als an der Oder und sie überholen mich nicht von hinten,
was sie wahrscheinlich täten, wenn sie in dieselbe Richtung führen
wie ich, denn ich fahre genießerisch langsam, sondern kommen mir
entgegen. Offenbar ist es üblicher von der Quelle kommend in
Richtung Mündung zu fahren als gegen den Strom. Auch eine (gleich
mir) allein radelnde Frau ist unter den mir entgegen Kommenden und
eine sechsköpfige Familie, vier Kinder, das älteste maximal 10
Jahre alt, sogar die Kinderfahrräder sind voll bepackt und alle
strahlen über die ganzen Gesichter: Es ist eine Freude!
Aus Radlergruppen heraus dringen
Satzfetzen wie „...verboten nach amerikanischem...“ oder „...und
der war Geschichtslehrer früher in der DDR...“ an mein Ohr. Froh
bin ich, dass ich allein unterwegs bin.
Der Weg führt durch den Märchenwald –
heißt tatsächlich so – über Pusack mit einem Ziegenhof und der
Wolfsschlucht. Es sieht wirklich so aus, wie ich mir die Heimat der 7
Geißlein vorstelle, nur haben die Brüder Grimm vergessen, die
Milliarden (gefühlt) von Mücken zu erwähnen.
Den nächsten Übernachtungsplatz,
Glockenhof & Radler-Rast in Bad Muskau, erreiche ich schon am
frühen Nachmittag. Am Eingang hängt ein Fahrradschlauch-Automat,
der mich erheitert: Man stehe nicht auf ihm, sondern ziehe ihn sich, den
Schlauch. Der Glöckner, wie er sich selbst nennt, fragt mich, indem
er mit der Hand auf mein Fahrrad deutet, ob ich etwa mit diesem
Fahrrad unterwegs sei. Da er ansonsten recht nett zu sein scheint,
verzeihe ich ihm die Frage und antworte: „Ja, na klar.“ Ich
stelle nur mein Zelt auf, schmeiße mein Gepäck hinein und fahre
ohne Reise-, also lediglich mit so genanntem Handgepäck, das ich
allerdings nicht in der Hand, sondern in der Hosentasche trage,
entspannt in den Fürst-Pückler-Park, wo ich bleibe, bis es dunkel
wird. (Da hat ein steinreicher Popel einen Park entworfen und anlegen
lassen, weshalb ich den Park nicht schön finden will, was mir jedoch
nicht gelingt.) Ich wechsele über die vielen Neiße-Brücken
fortwährend die Seite, bin mal in Polen und mal in Deutschland, und
frage mich, wie das hier wohl war, als man nicht nach Lust und Laune
zwischen Polen und Deutschland hin und her spazieren durfte. Wenn auf
jeder Brücke über den Fluss Grenzer und Zöllner standen, dürfte
das den Park seiner Atmosphäre beraubt haben. Für wahrscheinlicher
halte ich, dass die Brücken schlicht und ergreifend gesperrt waren.
Auch nicht besser! Heute jedenfalls hört man auf beiden Seiten
deutsch und polnisch.
Als ich zum Schlafen auf dem Glockenhof
ankomme, hat neben meinem eine Frau ihr Zelt aufgeschlagen, die
allein mit einem einfachen City-Rad unterwegs ist. Zwar hat es drei
Gänge, aber eine einfache Nabenschaltung, die sei ihr verziehen.
(Vielleicht hat sie das Fahrrad geschenkt bekommen und nicht selbst
ausgesucht.) Mein Herz schlägt höher: Es gibt doch noch mehr
Menschen wie mich! Nicht viele, aber es gibt sie.
Allmählich ist die Schicht
Insektenschutzmittel auf meiner Haut so dick, dass die meisten Mücken
mich verschonen – genau wie in der Produktwerbung gepriesen.
Dennoch sind sie da. Sie sitzen an der Zeltwand und werfen mir böse
Blicke zu, anstatt sich zu freuen, dass ich sie mir fernhalte. Kämen
sie mir zu nahe, erschlüge ich sie, sobald sie sich auf mir
niederließen. So bekommen sie lediglich nichts zu fressen,
jedenfalls nichts von meinem Blut. Na ja, Verhungern ist auch kein
schöner Tod!
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