--> Tag 9
Auch auf dem Lebensgut sind die Vorteile von seitlich am Gepäckträger zu befestigenden Gepäcktaschen längst erkannt worden. Auf dem Fahrradparkplatz steht ein Fahrrad, an dem hinten zwei ausrangierte Schulmappen festgeschnallt sind, eine rechts und eine links.
Auch auf dem Lebensgut sind die Vorteile von seitlich am Gepäckträger zu befestigenden Gepäcktaschen längst erkannt worden. Auf dem Fahrradparkplatz steht ein Fahrrad, an dem hinten zwei ausrangierte Schulmappen festgeschnallt sind, eine rechts und eine links.
Es ist heiß. Nein, falsch. Es ist
nicht heiß, sondern sehr außerordentlich brütend heiß.
Den ganzen Tag nur herumgelungert,
gegessen, getrunken, gelesen, Wäsche gewaschen – ich hatte keine
einzige nicht stinkende Socke mehr und auch die übrigen
Kleidungsstücke, insbesondere die Hose, mit der ich mich
versehentlich auf ein Nacktschneckenpärchen gesetzt hatte, sahen
irgendwie reinigungsbedürftig aus – und am Abend dann (vermutlich
im Anblick der sauberen Wäsche auf der Leine) auch noch das Zelt
(äußerlich) gewaschen: Vogelkacke und Schleimschneckenspuren ab.
Gut. Sieht jetzt wieder schön aus, das Zelt. Wer schläft schon gern
unter durch die Zeltwand schimmernden Ausscheidungen diverser Tiere?
Ich nicht.
Kaum liege ich dann nach erfolgreicher
Vertreibung aller Insekten aus dem Zelt hinter dem zugezogenen
Insektengitter in ihm, höre ich Schritte um mich herum, viele
Schritte vieler Tiere. Hm. Man könnte nachgucken, um welche Tiere es
sich handelt, aber dazu müsste man den Kopf aus dem Zelt stecken und
dann wären die Mücken wieder in ihm. Also bleibt es bei
Spekulation: Igel? Mäuse? Marder? Katzen? Der Fuchs? Zu guter Letzt
beginnt es unter mir in der Isolierschicht aus Heu zu knuspern.
Verdammt! Wer nagt sich jetzt von unten durch den Zeltboden zu mir
durch? Ich glaube, ich will das nicht wissen.
Es wird mit jedem Tag heißer. Im
Schatten der Bäume lässt es sich noch knapp aushalten.
Das Bio-Grasbüschel, an dem ich seit
meiner hiesigen Ankunft nach den Mahlzeiten mein Messer abwische,
erweist sich als nicht mehr aufnahmefähig. Es ist mit Frischkäse
und Honig übersättigt. Also weiche ich auf das benachbarte Büschel
aus, ebenfalls bio, das hat noch Kapazität. (Es gibt eine
Gästeküche, aber mir gefällt es auf der Wiese zwischen Pflaumen-
und Apfelbaum besser.)
Es wird Zeit, dass ich vom Lebensgut
abreise. Nicht, dass es mir nicht gefiele. Jedoch werde ich zunehmend
schlaff! Dazu trägt gewiss die Hitze bei, die ich als alleinigen Grund jedoch nicht akzeptiere. Die Lethargie erfasst auch mein Denken: Ich habe kaum noch Lust zu lesen.
Alarm! Ich muss mich also zu einer Tour durch die umliegenden Dörfer
auf das Fahrrad schwingen und mit meinem Körper auch den Geist
wieder in Bewegung versetzen. Da ich Bücher dabei habe, will ich sie
nach dem Urlaub gelesen haben. (Bei allem, was ich mitführe, hatte
ich beim Packen peinlichst auf Größe und Gewicht geachtet, nicht bei den Büchern.)
Ich liebe es, auf weitem Feld einen
einzelnen uralten, knorrigen Baum stehen zu sehen. Meine Liebe wird
erwidert: Er winkt mir zu.
„Leben einzeln und frei
wie ein Baum und dabei
brüderlich wie ein Wald
diese Sehnsucht ist alt.“
(Hannes Wader frei nach Nazim Hikmet)
Zurück auf dem Lebensgut lasse ich
mich ins Gras fallen und lese. Okay. Meine Rechnung, ich muss die
körperliche Trägheit überwinden, damit auch der Geist wieder Lust
auf Bewegung hat, geht auf. Leider beginnt einer der
Lebensgütler, auf dem gesamten Gut den Rasen zu mähen, und fabriziert
einen Höllenlärm. Das Gut ist groß, er braucht lange. Als er an
meinem Zelt ankommt, umkreist er es sorgfältigst und beseitigt
penibel jeden darunter hervor sprießenden Halm. Ich gehe zu ihm
hin, bedeute ihm, indem ich zuerst auf meine Ohren und dann auf die
Maschine unter ihm zeige, dass er die ausschalten möge, und frage,
nachdem er meiner Bitte entsprochen hat, ob ich der Einfachheit
halber das Zelt beiseite rücken soll. Nein, antwortet er, die knapp
vier Quadratmeter könnten auch bleiben, wie sie seien, er mache nur
drum herum alles hübsch, damit ich mich wohl fühle. Aha, denke ich
leicht verbittert, meinem Wohlbefinden also dient der Krach! Aber der
Rasenmäher – der Mann auf der Maschine, nicht die Maschine selbst
– ist nett und ich bin relativ schnell wieder versöhnt mit der
Welt, zumindest mit hiesigem Ausschnitt davon. Frisch gemähtes Gras
riecht sehr gut.
Ha, auf frischer Tat ertappt! Als ich
vom Duschen komme, sehe ich sie: zwei Igel. Sie rascheln um mein Zelt
herum und erzeugen genau das Geräusch, das ich gestern Abend nicht
enträtseln konnte. Aber eine gute Tat ist es, auf der ich euch
ertappt habe, ihr lieben Igel! Fresst nur, fresst! Fresst euch satt
an Schnecken! Derer gibt es hier tatsächlich mehr, als ich angenehm
finde, und es ist doch wahrhaftig besser, hier leben geliebte Igel
als gehasste Schnecken.
Mein philosophisches Gespräch über
Freundschaft mit einem jungen Lebensgütler (4 Jahre alt?) verläuft
so:
Er ruft wiederholt (wirklich
ausdauernd) und sehr laut über den Hof nach Kea. Kea – ich kenne
sie nicht – scheint verschwunden und ich habe den
Eindruck, dass sein Rufen, um nicht zu sagen Brüllen, nicht zum Erfolg
führt.
Ich: Wer ist eigentlich Kea?
Er (sein Schreien – welch Segen! –
beendend): ….........
Ich: Ist das deine Schwester?
Er: Nein.
Ich: Ist das deine Freundin?
Er: Nein, meine Freunde sind im
Kindergarten.
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